- Interview mit Univ.Prof.in Mag.a Dr.in Tanja Stamm
- Interview mit Michaela Stoffer-Marx, PhD
- Interview mit Prim. Peichl
- Interview mit Prof. Jens Thiel
Die ÖGR im Gespräch mit...
Univ.Prof.in Mag.a Dr.in Tanja Stamm (Professorin für Outcomes Research an der MedUni Wien und Leiterin des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Arthritis und Rehabilitation; Unterstützerin der ÖGRG seit ihrer Gründung) spricht über die Wichtigkeit, Gesundheitsdaten, und zwar insbesondere Outcome-Daten, in der Klinik und Forschung zu nutzen.
Wozu sollen Outcomes gemessen werden?
Nach akuten, vor allem aber bei chronischen Erkrankungen, ist es wichtig zu wissen, wie die Patient:innen im Alltag zurechtkommen, wie sie ihre Lebensqualität einschätzen und ob sie zum Beispiel durch eine bestimmte Intervention weniger Schmerzen, oder weniger Müdigkeit empfinden. Diese Patient:innen-berichteten Ergebnisse werden gemeinsam mit klinischen Behandlungsergebnissen unter dem Begriff "Outcomes" zusammengefasst. Outcome-Daten werden sowohl im Rahmen klinischer Studien, als auch im klinischen Alltag, in sogenannten Real World Settings, erhoben.
Durch die Nutzung dieser umfassenden Gesundheitsdaten wird der Einfluss der Patient:innen auf medizinische Entscheidungen gestärkt. Und das nicht nur bei Entscheidungen, die sie selbst betreffen, sondern auch bei der Frage, wie das Gesundheitssystem allen Patient:innen die beste und effizienteste Versorgung bieten kann. Außerdem ermöglicht das Einbeziehen der Patient:innenperspektive in die Behandlung eine effiziente Kommunikation zwischen Patient:innen und Gesundheitsdienstanbieter:innen, schafft Klarheit ob Zielsetzungen erreicht wurden und verbessert damit auch langfristig den Behandlungserfolg.
Warum werden Outcome-Daten derzeit noch unzureichend genutzt?
Die Gründe dafür sind vielfältig. Oft liegt es an der fehlenden Standardisierung von dem, was überhaupt gemessen werden soll. Dies geschieht idealerweise mittels internationalem Konsensusverfahren gemeinsam mit Patient:innen. Sobald dies festgelegt sind, müssen die Outcome-Messungen in die Praxis implementiert werden. Dafür sind neben den Ressourcen auch digitale Systeme nötig, die eine einfache Dateneingabe durch die Patient:innen ermöglichen und den Patient:innen sowie dem interdisziplinären Behandlungsteam einen gut verständlichen Überblick zum Krankheitsverlauf geben.
Zurzeit sind erhobene Outcome-Daten allerdings nur eingeschränkt für Forschung zugänglich. Ergebnisse können daher oft nicht verallgemeinert und zwischen einzelnen Gesundheitsanbietern oder Ländern verglichen werden. Der Einfluss auf die klinische Entscheidungsfindung oder der Wissenszuwachs sind dadurch ebenfalls deutlich eingeschränkt.
Gibt es Initiativen, um die umfassende Erhebung von Gesundheitsdaten zu fördern?
Ein großes Projekt auf europäischer Ebene, bei dem die Medizinische Universität Wien gemeinsam mit Takeda die führende Rolle innehat, fördert die Messung von Outcome Daten. Das Innovative Medicines Initiative (IMI) Health Outcomes Observatories H2O Project wird Gesundheitsergebnisdaten von ausgewählten chronischen Krankheiten umfassend auf Länderebene erfassen und auch Patient:innen-berichtete Outcomes miteinbeziehen. Den Link zur Publikation finden Sie hier. Im Rahmen dieses Projektes stellen wir Patient:innen eine App zur Verfügung, mit der sie ihre Outcome-Daten, wie z.B. den eigenen Gesundheitszustand, die Lebensqualität, mögliche Schmerzen oder Nebenwirkungen, auf standardisierte Weise erheben zu können.
Im Bereich der Rheumatologie werden im Rahmen einer Register-Studien die Outcome-Daten von Patient:innen mit Arthrosen von der MedUni Wien und dem Ludwig-Boltzmann-Institut für Arthritis und Rehabilitation gemeinsam mit vielen anderen Zentren in Österreich erhoben. Allgemein nimmt die Anzahl von Initiativen zur standardisierten Erhebung definierter Outcomesets zu. So können Patient:innen personalisiert betreut und zielgerichtete Behandlungsempfehlungen gegeben werden.
Die ÖGR im Gespräch mit...
Michaela Stoffer-Marx, PhD, MSc, LLM, Lehrende am Studiengang Ergotherapie an der FH Campus Wien, Gesundheitswissenschafterin und Ergotherapeutin, spricht über die Gründung und die wichtige Rolle der Österreichischen Gesellschaft rheumatologischer Gesundheitsberufe (ÖGRG).
Vor 11 Jahren wurde die Österreichischen Gesellschaft rheumatologischer Gesundheitsberufe (ÖGRG) ins Leben gerufen. Kannst du kurz beschreiben, wie es dazu gekommen ist?
Es gab zu diesem Zeitpunkt bereits seit längeren Bestrebungen in Österreich einen nationalen Zusammenschluss der Gesundheitsberufe in Österreich zu formieren. International hatten wir innerhalb der EULAR (European Alliance of Associations for Rheumatology) bereits viele Vorbilder. Die Gründung der ÖGRG war dann vor allem durch die Unterstützung von Prof.in Dr.in Tanja Stamm und Prof Dr. Kurt Redlich sowie durch die sehr enge Zusammenarbeit mit der ÖGR möglich.
Welche Ziele verfolgt die ÖGRG?Unser übergeordnetes Ziel ist es den Austausch der in der in der Rheumatologie tätigen Personen auf nationaler und internationaler Ebene zu fördern. Im Fokus unserer gemeinsamen Tätigkeit steht dabei die Organisation von Fachveranstaltungen die auf Angehörige unterschiedlichster Gesundheitsberufe, wie Ergotherapeut:innen, Gesundheits- und Krankenpfleger:innen, Pharmazeut:innen, Physiotherapeut:innen, Psycholog:innen, und Sozialarbeiter:innen zugeschnitten sind. Die Förderung evidenzbasierter, interprofessioneller Zusammenarbeit soll letztendlich zur bestmöglichen Versorgung von Menschen mit rheumatischen und muskuloskelettalen Erkrankungen führen.
Was ist dir aus der Zeit als Präsidentin der ÖGRG in Erinnerung geblieben?
Die gute Zusammenarbeit untereinander, aber auch mit Vertreter:innen der ÖGR ist das Erste, das mir in den Sinn kommt. Die inspirierende Tätigkeit von Angehörigen aus ganz verschiedenen Gesundheitsberufen, die ein gemeinsames Ziel haben, finde ich immer noch sehr bereichernd.
In welchen Bereichen der Rheumatologie siehst du einen besonders großen Wirkungsbereich für Vertreter:innen rheumatologischer Gesundheitsberufe?
Ich denke die pharmakologischen Behandlungsmöglichkeiten der Patient:innen mit rheumatologischen Erkrankungen haben sich in den letzten 25 Jahren sehr stark verändert. Dies führte auch zu einem Umdenken in der Anwendung nichtpharmakologischer Interventionsformen. Ich sehe sehr große Potentiale der Gesundheitsberufe, Patient*innen dabei zu unterstützen ihre berufliche Tätigkeit weiter auszuüben, als auch im Bereich des Schmerz- und Self-Managements und im therapeutisch begleiteten Umgang mit Fatique aktiv zu sein.
Unverzichtbar ist sicher auch unser Beitrag zur Schulung und Information von Patient:innen. Gerade in einer Zeit in der sich sehr viel Wissen und zum Teil auch Unwissen im Internet verbreitet, sind die Angehörigen der Gesundheitsberufe wichtige Multiplikator:innen von evidenzbasiertem, aktuellen Wissen.
Welche Tipps hast du für Vertreter:innen unterschiedlicher Gesundheitsberufe im Bereich der Rheumatologie um die multidisziplinäre Teamarbeit bzw. die Zusammenarbeit mit Rheumatolog:innen zu stärken?
Ausgezeichnetes Fachwissen und offen aufeinander zugehen! Sich immer wieder einmal auf einen Perspektivenwechsel einlassen kann ebenfalls sehr nützlich sein, um kleine oder auch substanzielle Weiterentwicklungen zu initiieren.
Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Was wünscht du dieser vielfältigen Gruppe von Angehörigen der rheumatologischen Gesundheitsberufe?
Auf jeden Fall weiterhin viel Freude mit der Tätigkeit in diesem so spannenden, sich stetig weiterentwickelnden Betätigungsfeld. Vielleicht könnten wir uns noch etwas besser vernetzen. Auch wenn wir in den letzten Jahren sehr viele Fortschritte in diesem Bereich gemacht haben, so haben wir hier sicher noch eine Stück des Weges vor uns. Um so mehr die jeweiligen Gesundheitsberufe miteinander statt nebeneinander arbeiten, um so besser können wir die Patient*innen unterstützen.
Ja, und dann würde ich mir noch mehr wissenschaftliche Karrierewege und Stellenangebote für nichtärztliche Gesundheitsberufe wünschen. Es gibt sehr großes Forschungsinteresse in unserer Gruppe und eine hohe Zahl an hochrelevanten Fragestellungen, die es in der Zukunft noch zu beantworten gibt.
Die ÖGR bat ÄD. Prim. PrivatDozent Dr. Peter Peichl, MSc zum Interview:
Welche Aufgaben haben Sie als Klinikvorstand des evangelischen Krankenhauses Wien? Wie kann man sich Ihren Arbeitsalltag vorstellen?
Als Klinikvorstand obliegt mir die Leitung von 5 internistischen Departments (Angiologie, Onkologie, Gastroenterologie, Rheumatologie und Allgemeine Interne). Organisatorisch und fachlich unterstehen mir 30 ärztliche Kolleginnen und Kollegen. In meiner Leitungsfunktion besteht mein Arbeitsalltag viel in Organisation und Delegation von medizinischen Aufgabenstellungen. Zudem bin ich seit September 2018 auch Ärztlicher Direktor im Evangelischen Krankenhaus.
Mein Arbeitstag beginnt in der Regel etwa um 07:15 Uhr und beinhaltet planerische und organisatorische Tätigkeiten als Ärztlicher Direktor und Vorstand der Internen Abteilung, aber auch das Einbringen meiner persönliche fachlichen Kompetenz eines seit 1984 tätigen Arztes. Grundsätzlich bin für alle Kolleginnen und Kollegen abseits meiner Präsenz im Evangelischen Krankenhaus auch telefonisch jederzeit erreichbar.
Welche Stationen in Ihrer bisherigen beruflichen Laufbahn haben Sie fachlich am meisten geprägt?
Meine internistische Grund- und Basisausbildung habe ich bei Prof. Pröll im Kaiser-Franz-Josef-Krankenhaus absolviert. Hier wurde ich von einem offenen fachlichen Diskurs, Empathie, einem positiven Weltbild und einer absoluten Patientenorientiertheit geprägt.
Wissenschaftlich prägend war mein Studienaufenthalt in Basel bei Prof. Müller und meine langjährige wissenschaftliche Tätigkeit im Novartis Forschungsinstitut als freier Mitarbeiter. Im Rahmen der Forschungstätigkeit im Novartis Forschungsinstitut in Wien habe ich mir meine fachlich wissenschaftliche Grundlage und Kompetenz, neben meiner klinischen Tätigkeit, für meine Habilitation 2006 gelegt.
Sie blicken auf eine langjährige berufliche Tätigkeit zurück. Welche Tipps haben Sie für angehende Rheumatologinnen und Rheumatologen?
Für so ein stark klinisch orientiertes Fach wie die Rheumatologie gilt ein ganz besonderer Grundsatz:
Zahl der Patienten pro Zeiteinheit in Jahren gemessen = klinische Erfahrung.
Wichtig ist es auch sich immer eine Offenheit gegenüber unterschiedlichen Ansätzen und Fragestellungen zu bewahren. Manchmal hilft Quergedenken und mit offenen Augen in anderen Fachrichtungen zu schnuppern einen neuen Blick und vielleicht auch neue Antworten für komplizierte Fragestellungen zu bekommen.
Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Was wünschen Sie der Rheumatologie?
Die letzten 20 Jahre waren schon eine neue goldene Zeit in der Rheumatologie. Die Rheumatologie bleibt trotz alledem ein klinisch orientiertes Fach, das geprägt ist durch eine gute Anamnese, eine
gute klinische Untersuchung und der entsprechenden Empathie für die Patientinnen und Patienten. Ich wünsche mir vor allem für die Rheumatologie jene individuelle Zeit auch im organisatorischen Kontext für jede/n einzelne/n Patienten/Patientin. Dies sollte sich sowohl im klinischen Alltag als auch im Abrechnungssystem widerspiegeln.
Prof. Jens Thiel ist seit November 2021 Abteilungsleiter an der klin. Abteilung für Rheumatologie und Immunologie der Medizinischen Universität Graz.
Zuvor arbeitete er als Stellvertreter des ärztlichen Direktors und Leiters der Sektion für Immunvaskulitiden an der Klinik für Rheumatologie und Klinische Immunologie am Universitätsklinikum Freiburg.
Welche Möglichkeiten und Potentiale sehen Sie an der klin. Abteilung für Rheumatologie und Immunologie der Meduni Graz?
Die Besonderheit unserer Abteilung stellt die Kombination aus Rheumatologie und klinischer Immunologie dar, durch die wir das ganze Spektrum von Immunkrankheiten, von der rheumatoiden Arthritis bis hin zu Immundefekten und autoinflammatorischen Syndromen, behandeln können. Die Abteilung ist außerdem sehr gut in das Netzwerk der Medizinischen Universität Graz eingebunden, verfügt über große PatientInnenkohorten und bietet damit wissenschaftlich hervorragende Möglichkeiten.
Wieviele FachärztInnen für Rheumatologie umfasst Ihre Abteilung?
Momentan gibt es zehn FachärztInnen für Rheumatlogie, wovon drei auch das Fach der klinischen Immunologie innehaben, sowie eine weitere Fachärztin für klinische Immunologie.
Was ist Ihr Forschungsschwerpunkt und wie möchten Sie Ihre Abteilung in Hinsicht auf Forschung aufstellen?
Mein Schwerpunkt liegt in der translationalen Forschung und damit darin, aus klinischen Beobachtungen grundlagenwissenschaftlich relevante Fragestellungen zu entwickeln. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen dann letztlich die klinische Versorgung verbessern. Mein Ziel ist es die bereits bestehenden Forschungsschwerpunkte der Abteilung, zu denen die Krankheitsbilder der rheumatoiden Arthritis, Kollagenosen und Spondyloarthritiden gehören, auszubauen und um die Vaskulitiden zu ergänzen.
Gibt es Fördermöglichkeiten für JungrheumatologInnen an Ihrer Abteilung?
An unserer Abteilung besteht die Möglichkeit einer Ausbildung in Innerer Medizin und Rheumatologie, sowie in klinischer Immunologie. Desweiteren bietet die Medizinische Universität Graz verschiedene Förder- und Weiterbildungsprogramme für junge Forschende, wie beispielsweise das Doktoratsstudium für medizinische Wissenschaften, sowie attraktive Karrieremodelle für ausgebildete Wissenschaftler.
Was war Ihnen in Ihrer eigenen Ausbildung besonders wichtig, bzw. was hat Sie besonders beeindruckt?
Mich persönlich beeindruckt nach wie vor die oft unglaubliche Komplexität immunologischer
Prozesse. Darüber hinaus war es mir immer wichtig die direkte PatientInnenversorgung nicht aus dem Auge zu verlieren.
Wie sehen Sie die Rheumatologie in Österreich in 10 Jahren? Welche Rolle spielt die ÖGR?
Wünschenswert ist in jedem Fall die flächendeckende Versorgung rheumatologischer PatientInnen in Österreich in guter Qualität und eine gute Vernetzung zwischen Zentren und niedergelassenen KollegInnen. Die ÖGR ist sicherlich eine wichtige Institution um diese Vernetzung voran zu treiben und spielt auch eine wichtige Rolle in der wichtigen Förderung junger RheumatologInnen.
Zuletzt noch: Welche Gegenstände finden sich auf Ihrem Schreibtisch?
Eine Kaffetasse, das Buch „Labor und Diagnose“ von Lothar Thomas und das Bundesgesetzblatt zur COVID Impfpflicht.
Die ÖGR im Gespräch mit...
Univ.Prof.in Mag.a Dr.in Tanja Stamm (Professorin für Outcomes Research an der MedUni Wien und Leiterin des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Arthritis und Rehabilitation; Unterstützerin der ÖGRG seit ihrer Gründung) spricht über die Wichtigkeit, Gesundheitsdaten, und zwar insbesondere Outcome-Daten, in der Klinik und Forschung zu nutzen.
Wozu sollen Outcomes gemessen werden?
Nach akuten, vor allem aber bei chronischen Erkrankungen, ist es wichtig zu wissen, wie die Patient:innen im Alltag zurechtkommen, wie sie ihre Lebensqualität einschätzen und ob sie zum Beispiel durch eine bestimmte Intervention weniger Schmerzen, oder weniger Müdigkeit empfinden. Diese Patient:innen-berichteten Ergebnisse werden gemeinsam mit klinischen Behandlungsergebnissen unter dem Begriff "Outcomes" zusammengefasst. Outcome-Daten werden sowohl im Rahmen klinischer Studien, als auch im klinischen Alltag, in sogenannten Real World Settings, erhoben.
Durch die Nutzung dieser umfassenden Gesundheitsdaten wird der Einfluss der Patient:innen auf medizinische Entscheidungen gestärkt. Und das nicht nur bei Entscheidungen, die sie selbst betreffen, sondern auch bei der Frage, wie das Gesundheitssystem allen Patient:innen die beste und effizienteste Versorgung bieten kann. Außerdem ermöglicht das Einbeziehen der Patient:innenperspektive in die Behandlung eine effiziente Kommunikation zwischen Patient:innen und Gesundheitsdienstanbieter:innen, schafft Klarheit ob Zielsetzungen erreicht wurden und verbessert damit auch langfristig den Behandlungserfolg.
Warum werden Outcome-Daten derzeit noch unzureichend genutzt?
Die Gründe dafür sind vielfältig. Oft liegt es an der fehlenden Standardisierung von dem, was überhaupt gemessen werden soll. Dies geschieht idealerweise mittels internationalem Konsensusverfahren gemeinsam mit Patient:innen. Sobald dies festgelegt sind, müssen die Outcome-Messungen in die Praxis implementiert werden. Dafür sind neben den Ressourcen auch digitale Systeme nötig, die eine einfache Dateneingabe durch die Patient:innen ermöglichen und den Patient:innen sowie dem interdisziplinären Behandlungsteam einen gut verständlichen Überblick zum Krankheitsverlauf geben.
Zurzeit sind erhobene Outcome-Daten allerdings nur eingeschränkt für Forschung zugänglich. Ergebnisse können daher oft nicht verallgemeinert und zwischen einzelnen Gesundheitsanbietern oder Ländern verglichen werden. Der Einfluss auf die klinische Entscheidungsfindung oder der Wissenszuwachs sind dadurch ebenfalls deutlich eingeschränkt.
Gibt es Initiativen, um die umfassende Erhebung von Gesundheitsdaten zu fördern?
Ein großes Projekt auf europäischer Ebene, bei dem die Medizinische Universität Wien gemeinsam mit Takeda die führende Rolle innehat, fördert die Messung von Outcome Daten. Das Innovative Medicines Initiative (IMI) Health Outcomes Observatories H2O Project wird Gesundheitsergebnisdaten von ausgewählten chronischen Krankheiten umfassend auf Länderebene erfassen und auch Patient:innen-berichtete Outcomes miteinbeziehen. Den Link zur Publikation finden Sie hier. Im Rahmen dieses Projektes stellen wir Patient:innen eine App zur Verfügung, mit der sie ihre Outcome-Daten, wie z.B. den eigenen Gesundheitszustand, die Lebensqualität, mögliche Schmerzen oder Nebenwirkungen, auf standardisierte Weise erheben zu können.
Im Bereich der Rheumatologie werden im Rahmen einer Register-Studien die Outcome-Daten von Patient:innen mit Arthrosen von der MedUni Wien und dem Ludwig-Boltzmann-Institut für Arthritis und Rehabilitation gemeinsam mit vielen anderen Zentren in Österreich erhoben. Allgemein nimmt die Anzahl von Initiativen zur standardisierten Erhebung definierter Outcomesets zu. So können Patient:innen personalisiert betreut und zielgerichtete Behandlungsempfehlungen gegeben werden.
Die ÖGR im Gespräch mit...
Michaela Stoffer-Marx, PhD, MSc, LLM, Lehrende am Studiengang Ergotherapie an der FH Campus Wien, Gesundheitswissenschafterin und Ergotherapeutin, spricht über die Gründung und die wichtige Rolle der Österreichischen Gesellschaft rheumatologischer Gesundheitsberufe (ÖGRG).
Vor 11 Jahren wurde die Österreichischen Gesellschaft rheumatologischer Gesundheitsberufe (ÖGRG) ins Leben gerufen. Kannst du kurz beschreiben, wie es dazu gekommen ist?
Es gab zu diesem Zeitpunkt bereits seit längeren Bestrebungen in Österreich einen nationalen Zusammenschluss der Gesundheitsberufe in Österreich zu formieren. International hatten wir innerhalb der EULAR (European Alliance of Associations for Rheumatology) bereits viele Vorbilder. Die Gründung der ÖGRG war dann vor allem durch die Unterstützung von Prof.in Dr.in Tanja Stamm und Prof Dr. Kurt Redlich sowie durch die sehr enge Zusammenarbeit mit der ÖGR möglich.
Welche Ziele verfolgt die ÖGRG?Unser übergeordnetes Ziel ist es den Austausch der in der in der Rheumatologie tätigen Personen auf nationaler und internationaler Ebene zu fördern. Im Fokus unserer gemeinsamen Tätigkeit steht dabei die Organisation von Fachveranstaltungen die auf Angehörige unterschiedlichster Gesundheitsberufe, wie Ergotherapeut:innen, Gesundheits- und Krankenpfleger:innen, Pharmazeut:innen, Physiotherapeut:innen, Psycholog:innen, und Sozialarbeiter:innen zugeschnitten sind. Die Förderung evidenzbasierter, interprofessioneller Zusammenarbeit soll letztendlich zur bestmöglichen Versorgung von Menschen mit rheumatischen und muskuloskelettalen Erkrankungen führen.
Was ist dir aus der Zeit als Präsidentin der ÖGRG in Erinnerung geblieben?
Die gute Zusammenarbeit untereinander, aber auch mit Vertreter:innen der ÖGR ist das Erste, das mir in den Sinn kommt. Die inspirierende Tätigkeit von Angehörigen aus ganz verschiedenen Gesundheitsberufen, die ein gemeinsames Ziel haben, finde ich immer noch sehr bereichernd.
In welchen Bereichen der Rheumatologie siehst du einen besonders großen Wirkungsbereich für Vertreter:innen rheumatologischer Gesundheitsberufe?
Ich denke die pharmakologischen Behandlungsmöglichkeiten der Patient:innen mit rheumatologischen Erkrankungen haben sich in den letzten 25 Jahren sehr stark verändert. Dies führte auch zu einem Umdenken in der Anwendung nichtpharmakologischer Interventionsformen. Ich sehe sehr große Potentiale der Gesundheitsberufe, Patient*innen dabei zu unterstützen ihre berufliche Tätigkeit weiter auszuüben, als auch im Bereich des Schmerz- und Self-Managements und im therapeutisch begleiteten Umgang mit Fatique aktiv zu sein.
Unverzichtbar ist sicher auch unser Beitrag zur Schulung und Information von Patient:innen. Gerade in einer Zeit in der sich sehr viel Wissen und zum Teil auch Unwissen im Internet verbreitet, sind die Angehörigen der Gesundheitsberufe wichtige Multiplikator:innen von evidenzbasiertem, aktuellen Wissen.
Welche Tipps hast du für Vertreter:innen unterschiedlicher Gesundheitsberufe im Bereich der Rheumatologie um die multidisziplinäre Teamarbeit bzw. die Zusammenarbeit mit Rheumatolog:innen zu stärken?
Ausgezeichnetes Fachwissen und offen aufeinander zugehen! Sich immer wieder einmal auf einen Perspektivenwechsel einlassen kann ebenfalls sehr nützlich sein, um kleine oder auch substanzielle Weiterentwicklungen zu initiieren.
Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Was wünscht du dieser vielfältigen Gruppe von Angehörigen der rheumatologischen Gesundheitsberufe?
Auf jeden Fall weiterhin viel Freude mit der Tätigkeit in diesem so spannenden, sich stetig weiterentwickelnden Betätigungsfeld. Vielleicht könnten wir uns noch etwas besser vernetzen. Auch wenn wir in den letzten Jahren sehr viele Fortschritte in diesem Bereich gemacht haben, so haben wir hier sicher noch eine Stück des Weges vor uns. Um so mehr die jeweiligen Gesundheitsberufe miteinander statt nebeneinander arbeiten, um so besser können wir die Patient*innen unterstützen.
Ja, und dann würde ich mir noch mehr wissenschaftliche Karrierewege und Stellenangebote für nichtärztliche Gesundheitsberufe wünschen. Es gibt sehr großes Forschungsinteresse in unserer Gruppe und eine hohe Zahl an hochrelevanten Fragestellungen, die es in der Zukunft noch zu beantworten gibt.
Die ÖGR bat ÄD. Prim. PrivatDozent Dr. Peter Peichl, MSc zum Interview:
Welche Aufgaben haben Sie als Klinikvorstand des evangelischen Krankenhauses Wien? Wie kann man sich Ihren Arbeitsalltag vorstellen?
Als Klinikvorstand obliegt mir die Leitung von 5 internistischen Departments (Angiologie, Onkologie, Gastroenterologie, Rheumatologie und Allgemeine Interne). Organisatorisch und fachlich unterstehen mir 30 ärztliche Kolleginnen und Kollegen. In meiner Leitungsfunktion besteht mein Arbeitsalltag viel in Organisation und Delegation von medizinischen Aufgabenstellungen. Zudem bin ich seit September 2018 auch Ärztlicher Direktor im Evangelischen Krankenhaus.
Mein Arbeitstag beginnt in der Regel etwa um 07:15 Uhr und beinhaltet planerische und organisatorische Tätigkeiten als Ärztlicher Direktor und Vorstand der Internen Abteilung, aber auch das Einbringen meiner persönliche fachlichen Kompetenz eines seit 1984 tätigen Arztes. Grundsätzlich bin für alle Kolleginnen und Kollegen abseits meiner Präsenz im Evangelischen Krankenhaus auch telefonisch jederzeit erreichbar.
Welche Stationen in Ihrer bisherigen beruflichen Laufbahn haben Sie fachlich am meisten geprägt?
Meine internistische Grund- und Basisausbildung habe ich bei Prof. Pröll im Kaiser-Franz-Josef-Krankenhaus absolviert. Hier wurde ich von einem offenen fachlichen Diskurs, Empathie, einem positiven Weltbild und einer absoluten Patientenorientiertheit geprägt.
Wissenschaftlich prägend war mein Studienaufenthalt in Basel bei Prof. Müller und meine langjährige wissenschaftliche Tätigkeit im Novartis Forschungsinstitut als freier Mitarbeiter. Im Rahmen der Forschungstätigkeit im Novartis Forschungsinstitut in Wien habe ich mir meine fachlich wissenschaftliche Grundlage und Kompetenz, neben meiner klinischen Tätigkeit, für meine Habilitation 2006 gelegt.
Sie blicken auf eine langjährige berufliche Tätigkeit zurück. Welche Tipps haben Sie für angehende Rheumatologinnen und Rheumatologen?
Für so ein stark klinisch orientiertes Fach wie die Rheumatologie gilt ein ganz besonderer Grundsatz:
Zahl der Patienten pro Zeiteinheit in Jahren gemessen = klinische Erfahrung.
Wichtig ist es auch sich immer eine Offenheit gegenüber unterschiedlichen Ansätzen und Fragestellungen zu bewahren. Manchmal hilft Quergedenken und mit offenen Augen in anderen Fachrichtungen zu schnuppern einen neuen Blick und vielleicht auch neue Antworten für komplizierte Fragestellungen zu bekommen.
Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Was wünschen Sie der Rheumatologie?
Die letzten 20 Jahre waren schon eine neue goldene Zeit in der Rheumatologie. Die Rheumatologie bleibt trotz alledem ein klinisch orientiertes Fach, das geprägt ist durch eine gute Anamnese, eine
gute klinische Untersuchung und der entsprechenden Empathie für die Patientinnen und Patienten. Ich wünsche mir vor allem für die Rheumatologie jene individuelle Zeit auch im organisatorischen Kontext für jede/n einzelne/n Patienten/Patientin. Dies sollte sich sowohl im klinischen Alltag als auch im Abrechnungssystem widerspiegeln.
Prof. Jens Thiel ist seit November 2021 Abteilungsleiter an der klin. Abteilung für Rheumatologie und Immunologie der Medizinischen Universität Graz.
Zuvor arbeitete er als Stellvertreter des ärztlichen Direktors und Leiters der Sektion für Immunvaskulitiden an der Klinik für Rheumatologie und Klinische Immunologie am Universitätsklinikum Freiburg.
Welche Möglichkeiten und Potentiale sehen Sie an der klin. Abteilung für Rheumatologie und Immunologie der Meduni Graz?
Die Besonderheit unserer Abteilung stellt die Kombination aus Rheumatologie und klinischer Immunologie dar, durch die wir das ganze Spektrum von Immunkrankheiten, von der rheumatoiden Arthritis bis hin zu Immundefekten und autoinflammatorischen Syndromen, behandeln können. Die Abteilung ist außerdem sehr gut in das Netzwerk der Medizinischen Universität Graz eingebunden, verfügt über große PatientInnenkohorten und bietet damit wissenschaftlich hervorragende Möglichkeiten.
Wieviele FachärztInnen für Rheumatologie umfasst Ihre Abteilung?
Momentan gibt es zehn FachärztInnen für Rheumatlogie, wovon drei auch das Fach der klinischen Immunologie innehaben, sowie eine weitere Fachärztin für klinische Immunologie.
Was ist Ihr Forschungsschwerpunkt und wie möchten Sie Ihre Abteilung in Hinsicht auf Forschung aufstellen?
Mein Schwerpunkt liegt in der translationalen Forschung und damit darin, aus klinischen Beobachtungen grundlagenwissenschaftlich relevante Fragestellungen zu entwickeln. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen dann letztlich die klinische Versorgung verbessern. Mein Ziel ist es die bereits bestehenden Forschungsschwerpunkte der Abteilung, zu denen die Krankheitsbilder der rheumatoiden Arthritis, Kollagenosen und Spondyloarthritiden gehören, auszubauen und um die Vaskulitiden zu ergänzen.
Gibt es Fördermöglichkeiten für JungrheumatologInnen an Ihrer Abteilung?
An unserer Abteilung besteht die Möglichkeit einer Ausbildung in Innerer Medizin und Rheumatologie, sowie in klinischer Immunologie. Desweiteren bietet die Medizinische Universität Graz verschiedene Förder- und Weiterbildungsprogramme für junge Forschende, wie beispielsweise das Doktoratsstudium für medizinische Wissenschaften, sowie attraktive Karrieremodelle für ausgebildete Wissenschaftler.
Was war Ihnen in Ihrer eigenen Ausbildung besonders wichtig, bzw. was hat Sie besonders beeindruckt?
Mich persönlich beeindruckt nach wie vor die oft unglaubliche Komplexität immunologischer
Prozesse. Darüber hinaus war es mir immer wichtig die direkte PatientInnenversorgung nicht aus dem Auge zu verlieren.
Wie sehen Sie die Rheumatologie in Österreich in 10 Jahren? Welche Rolle spielt die ÖGR?
Wünschenswert ist in jedem Fall die flächendeckende Versorgung rheumatologischer PatientInnen in Österreich in guter Qualität und eine gute Vernetzung zwischen Zentren und niedergelassenen KollegInnen. Die ÖGR ist sicherlich eine wichtige Institution um diese Vernetzung voran zu treiben und spielt auch eine wichtige Rolle in der wichtigen Förderung junger RheumatologInnen.
Zuletzt noch: Welche Gegenstände finden sich auf Ihrem Schreibtisch?
Eine Kaffetasse, das Buch „Labor und Diagnose“ von Lothar Thomas und das Bundesgesetzblatt zur COVID Impfpflicht.